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„Zur Kunst stimuliert“

Videokünstler Zlatan Filipovic ist Professor für Neue Medien an der Akademie für angewandte Kunst in Sarajewo

redaktionsbüro: Antje Mayer
Zlatan Filipovic:
- Was ist das Besondere an der aktuellen Kunst in Sarajewo?
- Ich finde vor allem die Arbeiten junger bosnischer Künstler interessant, die sich mit Neuen Medien beschäftigen, ganz besonders mit dem Medium Video. Das ist für uns im wahrsten Sinne des Wortes ein eher neues Medium in der Kunst. Das Genre Film ist in Bosnien seit jeher beliebt, nicht zuletzt propagiert durch international renommierte Veranstaltungen wie das Filmfestival, das jedes Jahr in Sarajewo stattfindet, aber vorwiegend wird der Film eher in einem dokumentarischen Sinne behandelt. Was mich aber als Künstler und im Rahmen meiner Lehrtätigkeit interessiert, ist, wie man das Medium Video in einer reinen künstlerischen Arbeit einsetzen kann.
- Du bist inzwischen ein etablierter Künstler geworden, hast international ausgestellt und im Ausland, in Paris und New York, gelebt. Dem Gros deiner Künstlerkollegen in Bosnien dürfte es nicht ganz so gut gehen?
- In Bosnien-Herzegowina kann man im Grunde nicht von der Kunst leben, weil es kaum Unterstützung von der Öffentlichkeit gibt, von einem funktionierenden Kunstmarkt gar nicht zu sprechen. Junge Künstler werden unter diesen Bedingungen leider nicht unbedingt zur Kunst stimuliert. Sein täglich Brot muss man in jedem Fall mit anderen Jobs verdienen, was die Produktion von Kunst naturgemäß nicht gerade einfacher macht. Wenn du als Künstler sehr agil bist, kannst du jedoch international durchaus reüssieren. Die junge Generation von bosnischen Künstlern spricht immerhin fast durchgehend drei Sprachen, hat die Möglichkeit, schnell und günstig über das Internet zu kommunizieren und ist nebenbei unglaublich engagiert.
Manchmal hat man den Eindruck, bosnische Künstler würden bewusst immer wieder gewisse Themen, wie etwa den Krieg, bearbeiten, weil sie wissen, dass solche Inhalte auf dem internationalen Kunstmarkt von den so genannten „Balkan-Künstlern“ erwartet werden. Trügt mein Eindruck?
Ich war während des Krieges Kunststudent und danach aktiv Künstler. Der ein wenig ältere Künstler Neibojsa Seric-Soba war sogar Soldat. Diese für das Leben prägende Eindrücke vergisst man nie. Künstler, besonders die meiner Generation und ein wenig älter, können nicht damit hinter dem Berg halten, woher sie historisch und politisch kommen. Unsere Geschichte wird immer einen Abdruck in unserer Kunst, zumindest in unserer Seele, hinterlassen. Dabei interessiert uns mehr als alles andere die Zukunft.
- Du klingst sehr euphorisch. Du hättest ja auch im Ausland bleiben können, warum bist du nach Sarajewo zurückgekehrt?
- Ich habe in Sarajewo, Paris und den USA studiert und bin 2001 im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen aber wieder nach Sarajewo zurückgekehrt. Ich habe mir persönlich fünf Jahre gegeben, um in der Stadt etwas zu bewegen, aber mir offen gelassen, ob ich wieder weggehe. Derweil bin ich geblieben und bin froh über das, was alles zu erreichen war. Als ich in meine Heimat zurückkehrte, gab es keinerlei modernes Equipment an der Universität. Durch internationale Hilfe konnten wir uns die wichtigsten Materialien beschaffen und endlich anfangen zu erforschen, welches unglaubliche Potenzial in den Neuen Medien steckt. Wir können uns bei den Veranstaltungen und Medien-Workshops jedenfalls kaum vor Interessenten retten.

Text erschienen in Spike ART QUARTERLY Nr. 3/2004
Link:line.at/Zlatan Filipovic - Link: Sarajevo Center for Contemporary Arts - Link:Spike Art Quarterly -